• Sie sind hier:
  • Zeitungsartikel von 1864

Suchfunktion

Zeitungsartikel vom 4.Oktober 1864

(Originalblatt des Zeitungsartikels aus dem Alb Boten vom 4. Oktober 1864)

Hier eine lesbare Abschrift:

Der 1. Oktober in Waldshut

Der von der Fortschrittspartei lange ersehnte, und von Manchen nur mit Mißtrauen oder auch Ängstlichkeit erwartete Tag ist erschienen, und Waldshut ist wahrscheinlich nicht die letzte der Städte Badens, die ihn feierlich begingen. Bogen ließen sich darüber schreiben, wollen wir all’ die gehaltenen Reden und Toaste wirklich bringen, aber leider über Zeilen hat der Alb-Bote zu verfügen. Fassen wir uns also kurz:

Am Vorabend Zapfenstreich; am 1. Oktober früh Reveille und um 10 Uhr vom Rathhause aus ein stattlicher Zug, an der Spitze Musik, dann die Staats- und Kirchendiener, die Bürgermeister des Bezirks und die Bürger von Waldshut, nach dem Kreisgerichtsgebäude. In dem Saale blicken die freundlich-ernsten Züge unseres geliebten Landesfürsten den Eintretenden entgegen. Bald herrschte feierliche Stille; jeder Anwesende fühlte sich von der Weihe des Augenblicks durchdrungen. Nun ergreift der Direktor des Kreisgerichts, Hr. Schneider, das Wort. Er heißt die Versammlung willkommen und macht sie aufmerksam auf die Wichtigkeit des heutigen Tages; dann hob er die Bedeutung der neuen Gesetze in ihren Hauptzügen hervor; er zeichnete das frühere Gesetz und verglichen mit dem jetzigen, schilderte er die Vortheile des letzteren gegenüber ersterem; er erwähnte die Funktion des Staatsanwaltes und der Rechtsanwälte, forderte die Bürger auf, bei den künftig stattfindenden Verhandlungen stets mit Ruhe und Würde als Zuhörer anwesend zu sein. Möge in diesen Räumen stets Recht, Wahrheit und Gerechtigkeit herrschen und die Gesetze Segen bringend sein dem gesamten Vaterlande! Mit diesen Worten schloß er seine ergreifende Rede, die den ernstesten Eindruck machte und für die Laien, denen vorher manches noch unklar schien, von belehrender und aufklärender Wirkung blieb. Nach ihm ergriff das Wort Hr. Staatsanwalt Gerstner. Er ging näher auf die Funktionen seiner amtlichen Stellung ein, wie seine heilige Pflicht sei, ohne Ansehen der Person nach bestem Wissen und Gewissen der Wahrheit und dem Recht Geltung zu verschaffen; er ersuchte seine Collegen und die H.H. Rechtsanwälte, ihn in diesem schwierigen und undankbaren Amte nach Kräfte zu unterstützen. Herr Rechtsanwalt Dr. Götz, als Senior der hiesigen Rechtsanwälte, begrüßte sodann Namens seiner Collegen mit Freuden, das neue Gesetz. Die Einführung des römischen Rechtes als deutsches Reichsgesetz im Jahre 1495 unter Kaiser Maximilian I. habe verhängnisvoll auf die organische Entwicklung deutschen Rechts und auf eine volksthümliche Rechtspflege gewirkt. Erst der neuesten Zeit und namentlich unserer hohen Regierung sei es vorbehalten geblieben ein, dem eigenthümlichen Charakter, der Sprache und den Sitten des Volkes entsprechendes Reichsgesetz einzuführen. Die Pflichten der Rechtsanwälte seien zwar dadurch schwerer und die Anforderungen größer geworden, aber nichtsdestoweniger werden sie dahin trachten, ihrer Aufgabe nach Kräften nachzukommen. Mögen die neuen Gesetze dem von Gott so reich gesegneten Lande zum Heile und Wohlfahrt gereichen, welchem anzugehören wir so glücklich sind. Hierauf dankt Herr Kreisgerichtsdirektor der Versammlung für ihr zahlreiches Erscheinen und die den Rednern geschenkte Aufmerksamkeit und erklärt hiermit das Kreisgericht Waldshut für eröffnet.
Damit schließt der offizielle Theil des festlichen Tages. Folgen wir nun zu Hrn. Bölle reich besetzter Tafel, welche nichts zu wünschen übrig ließ. Die hiesige Stadtmusik, unter der trefflichen Leitung des Herrn Kapellmeisters Koch, verschönerte mit ihren harmonischen Klängen in reichlicher Auswahl das köstliche Mahl. Herr Oberamtmann Rieder schilderte in schwungvoller Rede die bürgerlichen Vortheile der öffentlichen Civilrechtspflege, gedachte der Richter und ihrer Stellung im Staate und schloß mit einem begeisterten Hoch auf S.K.D. unseren allverehrten Großherzog Friedrich, dem Förderer alles Wahren und Rechten. Jubelnd stimmte die Menge bei, Musik und Geschützdonner verkündeten es in die Ferne. Herr Reallehrer Lösernahm Veranlassung von dem neuen Gerichtssprengel und seinen Bewohnern zu sprechen, schilderte dieselben als einen kräftigen intelligenten und thätigen Menschenschlag, der begeistert jeden Aufschwung zum Wahren und Rechten, zur Freiheit und zum Wohle des Vaterlandes begrüßt und dafür empfänglich ist. Wahrheitsgetreu konnte der Redner nicht unterlassen, auf einige Übelstände aufmerksam zu machen, welche aber bei dem allgemeinen Fortschritt in Bälde schwinden werden. Sein Hoch gilt den H.H. Beamten des neuen Gerichtshofs. Der Kreisgerichtsdirektor Schneider dankte in warmen Worten für das freundliche Entgegenkommen und die große Betheiligung, welche ihm als Zeichen gelte, daß die hohe Bedeutung der neuen Civilrechtspflege erkannt und dieselbe zu würdigen verstehe. In dieser Anerkennung brachte sein Hoch den Bewohnern Waldshuts. Von den weiteren Toasten müssen wir noch ausführen den des Hrn. Staatsanwalts Gerstner auf den Herren Minister, einen folgenden auf die Herren Mitglieder der ersten und zweiten Kammer, ausgebracht von Herrn Rechtsanwalt Meier, und schließlich gedachte Herr Kreisgerichtsrath Speer in einem Hoch der Herren Bürgermeister und fremden Gäste, welche zur Verherrlichung dieses Festes beigetragen haben.
So rückte schnell der Abend heran, man eilte hinaus in den von Werkmeister Schüle geschmackvoll verzierten Kornhaussaal, wo zum Schlusse der Feierlichkeiten ein glänzender Ball stattfand, bei welchem sich sämtliche Honoratioren und die gesamte Bürgerschaft betheiligten. Es war zwar früher wegen Mangel an passenden Lokalen nie möglich, einen allgemeinen Ball abzuhalten, aber so zahlreich, so gemütlich und in so schöner Eintracht haben Beamte und Bürger sich auch noch nie zusammengefunden. Möge dieses schöne Einverständnis ein dauerndes sein!.

(Anmerkung: Wenn der Redaktion des Alb-Boten die nöthigen Materialien zur Verfügung gestellt werden, ist  dieselbe gerne bereit, dem vielfach geäußerten Wunsche zu entsprechen, und in einer Broschüre, als Gedenkblatt, die feierliche Eröffnung des Kreisgerichts zu veröffentlichen.)

Fußleiste